Mitarbeiterbeteiligungsprogramme sind aktuell in aller Munde – und das aus gutem Grund. In Zeiten von Fachkräftemangel, steigendem Wettbewerb um Talente und wachsendem Bedarf an Mitarbeiterbindung setzen immer mehr Unternehmen auf Beteiligungsmodelle, um ihre Mitarbeitenden zu motivieren und langfristig zu halten. Doch obwohl das Grundprinzip schnell erklärt ist – Mitarbeitende erhalten eine Beteiligung am Unternehmenserfolg – wirkt das Thema auf viele zunächst komplex. Technische Begriffe, steuerliche Aspekte und rechtliche Feinheiten können abschreckend wirken. Das merken wir immer wieder in Gesprächen mit Gründerinnen, HR-Verantwortlichen und interessierten Mitarbeitenden.
Deshalb haben wir in diesem Artikel die wichtigsten Begriffe rund um Mitarbeiterbeteiligung kompakt und leicht verständlich zusammengefasst. Mit einfachen Beispielen wollen wir Ihnen die Grundlagen vermitteln, damit Sie Beteiligungsprogramme besser einordnen und bewerten können.
Es gibt verschiedene Formen von Beteiligungen, die Unternehmen ihren Mitarbeitenden anbieten können. Einige der neueren Modelle wie Hurdle Shares oder Genussrechte kommen zwar in bestimmten Konstellationen zum Einsatz, sind aber im Alltag vieler Start-ups und KMUs (noch) die Ausnahme. Am weitesten verbreitet sind zwei Modelle: ESOPs und VSOPs.
ESOPs (Employee Stock Ownership Plans)
Bei ESOPs handelt es sich um reale Unternehmensanteile. Die Mitarbeitenden werden also formal Gesellschafter:innen der Firma und erhalten damit theoretisch dieselben Rechte wie andere Gesellschafter, etwa Stimmrechte oder Informationsrechte. Auch der Verkauf dieser Anteile ist (bei größeren Aktiengesellschaften, nicht hingegen bei GmbHs) grundsätzlich möglich, sofern dies im Gesellschaftsvertrag erlaubt ist.
In der Praxis kommen ESOPs vor allem bei Aktiengesellschaften (AGs) oder großen Unternehmen zum Einsatz, die langfristig auf Unabhängigkeit setzen und keinen baldigen Exit planen. Ein Vorteil von ESOPs: Wenn ein Mitarbeiter eine Auszahlung aus dem Verkauf seiner Anteile erhält, unterliegt dieser Ertrag der Kapitalertragsteuer (pauschal 26 %) und nicht der Einkommensteuer (bis zu 45 %).
Allerdings gelten ESOPs auch als "geldwerter Vorteil". Das bedeutet: In größeren Unternehmen (mehr als 50 Mio. EUR Umsatz pro Jahr und mehr als 200 Mitarbeitende) kann die Besteuerung bereits beim Erwerb der Anteile greifen – also bevor überhaupt ein Verkaufserlös erzielt wurde. Hinzu kommt: Die Vergabe von echten Anteilen (nicht allerdings von Aktien einer AG) muss notariell beurkundet werden und bringt administrativen Mehraufwand mit sich.
VSOPs (Virtual Stock Option Plans)
VSOPs sind virtuelle Beteiligungen. Das heißt: Die Mitarbeitenden erhalten keine echten Anteile, sondern vertraglich zugesicherte Ansprüche auf eine Beteiligung am Unternehmenswert – meist in Form eines Auszahlungsanspruchs im Fall eines Verkaufs (Exit) oder bei Gewinnausschüttungen.
Diese virtuelle Form der Beteiligung ist besonders beliebt bei Start-ups und wachsenden Unternehmen. Sie ist rechtlich einfacher umzusetzen, muss nicht notariell beurkundet werden und hat keinen direkten Einfluss auf den Cap Table. VSOPs enthalten auch keine Stimmrechte.
Ein Nachteil: Die Auszahlung im Exit-Fall wird wie normales Einkommen behandelt und unterliegt damit der (in Deutschland hohen) Einkommensteuer. Dafür bieten sie hohe Flexibilität und sind für frühphasige Unternehmen oft die praktikablere Lösung.
Wer eine Beteiligung erhält, wird nicht sofort zum vollwertigen Anteilseigner. Denn das Ziel eines Beteiligungsprogramms ist es, Mitarbeitende zu motivieren und langfristig ans Unternehmen zu binden. Daher sind die Programme in der Regel an bestimmte Bedingungen geknüpft, die genau das erreichen sollen. Um Vertrauen in das Beteiligungsprogramm zu schaffen, sollten alle Beteiligten diese Bedingungen verstehen.
1. Strike Price (auch Ausgabepreis genannt)
Der Strike Price ist der Preis, zu dem die Mitarbeitenden ihre Anteile erwerben können – sei es virtuell oder real. Bei ESOPs zahlen Mitarbeitende diesen Preis beim Erwerb der Anteile, bei VSOPs wird er meist bei der Berechnung der Auszahlung berücksichtigt.
Beispiel: Der Unternehmenswert liegt aktuell bei 1 Mio. Euro. Ein Mitarbeiter erhält virtuelle Anteile mit einem Strike Price von 10 Euro pro Anteil. Beim Exit erzielt das Unternehmen einen Wert von 100 Mio. Euro. Der Wert pro Anteil ist nun 100 Euro. Der Mitarbeiter bekommt also 90 Euro pro Anteil ausgezahlt (100 Euro - 10 Euro Strike Price).
Die Idee dahinter: Nur der tatsächlich gemeinsam erarbeitete Wertzuwachs soll belohnt werden – nicht der schon vorhandene Unternehmenswert.
2. Vesting
Vesting bedeutet: Die Anteile werden dem Mitarbeitenden nicht sofort, sondern stufenweise über einen Zeitraum zugesprochen. Erst wenn Anteile "gevested" sind, hat man einen Anspruch darauf – im Fall von ESOPs juristisch, bei VSOPs wirtschaftlich.
Ein typischer Vesting-Zeitraum in der Praxis beträgt vier Jahre. Aufgrund der Vertragsfreiheit können Unternehmen diesen Zeitraum jedoch individuell gestalten – je nach Strategie, Mitarbeiterrolle oder Unternehmensphase.
Beispiel: Ein Mitarbeitender erhält 1.200 virtuelle Anteile mit einem Vesting über vier Jahre. Jedes Jahr werden also 300 Anteile unverfallbar. Nach zwei Jahren hat der Mitarbeitende 600 Anteile "gevested", auf die er im Exit-Fall Anspruch hätte.
Accelerated Vesting: Hierbei werden Anteile sofort oder schneller "gevested", z. B. beim Exit. Beispiel: Ein Mitarbeitender hat nach drei Jahren 75 % seiner Anteile "gevested". Kommt es nun zum Exit, wird der Rest (25 %) sofort unverfallbar.
3. Cliff
Ein Cliff ist eine Sperrfrist zu Beginn des Vestings. Erst wenn dieser Zeitraum vergangen ist, beginnt das Vesting von Anteilen.
Ein durchschnittlicher Cliff beträgt 12 Monate – das bedeutet, dass innerhalb des ersten Jahres keine Anteile "gevested" werden. Nach Ablauf dieses Jahres werden dann bei z.B. einer Vesting-Periode von 4 Jahren 25 % der Anteile auf einmal übertragen. In jüngerer Zeit setzen Unternehmen jedoch zunehmend auch auf kürzere Cliffs, etwa sechs Monate ( meist analog zur arbeitsrechtlichen Probezeit). Auch hier gilt: Vertragsfreiheit erlaubt individuelle Anpassungen.
4. Fade Out-Klauseln
Diese Regelung reduziert den Wert der Anteile nach dem Ausscheiden schrittweise, z. B. über 60 Monate. Beispiel: Ein Good Leaver verlässt das Unternehmen und behält seine 1.000 "gevesteten" Anteile. Mit einer Fade-Out-Regel von 5 Jahren verringert sich sein Anspruch pro Monat um 1/60 – bis nach fünf Jahren nichts mehr übrig ist, falls kein Exit dazwischen stattfindet.
Viele Beteiligungsprogramme zielen nicht auf kurzfristige Gewinnausschüttungen ab, sondern auf einen Exit, also den Verkauf des Unternehmens. Deshalb ist eine zentrale Frage für Mitarbeitende: Was passiert mit meinen Anteilen, wenn ich vor dem Exit aussteige? Die Antwort hängt davon ab, welche Art von "Leaver" man ist.
Good Leaver
Ein Good Leaver ist jemand, der aus nachvollziehbaren, nicht selbstverschuldeten Gründen geht: etwa wegen Krankheit, Elternzeit, weil er selbst kündigt (Eigenkündigung, kann allerdings auch ein Grey Leaver sein, siehe unten) oder vom Unternehmen ordentlich gekündigt wird.
Good Leaver behalten in der Regel ihre "gevestete" Anteile. Ihre "unvested" Anteile verfallen jedoch. Manche Verträge enthalten auch hier eine Fade-Out-Klausel, sodass der Anspruch auf Auszahlung im Zeitverlauf schrumpft.
Bad Leaver
Ein Bad Leaver ist jemand, der das Unternehmen unter problematischen Umständen verlässt, z. B. wegen grobem Fehlverhalten, Vertragsbruch oder im Streit. In solchen Fällen verliert die Person in der Regel sowohl "gevested" als auch "unvested" Anteile komplett (naked in - naked out).
Grey Leaver
Zwischen Good und Bad liegt der "Grey Leaver". In diesen Fällen entscheidet meist eine vertraglich definierte Regelung, was mit den Anteilen passiert und wer als Grey Leaver zählt. Dazu kann jemand zählen, der selbst kündigt, aber ohne schwerwiegende Gründe (wenn im Vertrag geregelt). Häufig behalten Grey Leaver ihre "vested" Anteile, allerdings mit einem Fade-Out oder unter Reduktion des Wertes (In vielen Fällen verfällt ein erheblicher Teil der bereits “gevesteten“ Anteile beim Ausscheiden – typischerweise bis zu 50%). Nicht “gevestete” Anteile verfallen auch hier.
Während Good- und Bad-Leaver-Klauseln in jedem Beteiligungsprogramm vorkommen und unbedingt geregelt sein sollten, ist die Grey-Leaver-Kategorie ein optionales Instrument. Sie wird nicht in allen Programmen erwähnt, kann aber hilfreich sein, um mehr Flexibilität bei der Beurteilung von Austrittsszenarien zu schaffen.
Mitarbeiterbeteiligungen sind ein starkes Instrument, um Talente zu gewinnen, zu motivieren und zu halten. Doch wie bei allen wirkungsvollen Tools braucht es Verständnis und Transparenz, damit sie ihr volles Potenzial entfalten können. Die wichtigsten Begriffe rund um ESOPs und VSOPs zu kennen, ist dafür ein entscheidender Schritt. Ob Strike Price, Vesting oder Leaver-Klausel: Wer weiß, worauf es ankommt, kann informierte Entscheidungen treffen – und ein Beteiligungsprogramm schaffen, das für alle Seiten fair und sinnvoll ist.
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