Unternehmen stehen heute mehr denn je vor der Herausforderung, High Potentials nicht nur zu gewinnen, sondern auch langfristig zu binden. Gerade in der Start-up- und Wachstumsphase sind monetäre Anreize oft begrenzt – daher gewinnen Mitarbeiterbeteiligungsprogramme wie ESOPs (Employee Stock Ownership Plans) und VSOPs (Virtual Stock Option Plans) zunehmend an Bedeutung. Sie bieten eine attraktive Möglichkeit, Führungskräfte und Talente an den Unternehmenserfolg zu binden und echte Ownership-Kultur zu schaffen.
Es gibt mehrere Komplexitäten im Zusammenhang mit dem Thema Anteile. Besonders relevant ist dabei das Thema Besteuerung – insbesondere, wann die Beteiligung als geldwerter Vorteil gilt und wann nicht. Während viele ESOP-Modelle steuerlich relevant sind – zum Beispiel bei der Zuteilung von Optionen oder Aktien –, gibt es wichtige Ausnahmen.
Ein spannendes Beispiel betrifft die unentgeltliche Übertragung von echten Geschäftsanteilen im Rahmen der Unternehmensnachfolge: Muss ein Mitarbeitender in diesem Fall Steuern zahlen? Oder handelt es sich um eine steuerfreie Schenkung?
In diesem Artikel klären wir, was unter einem geldwerten Vorteil zu verstehen ist, wann die Übertragung von Anteilen steuerlich relevant ist – und wann nicht. Wir zeigen dabei insbesondere anhand eines aktuellen Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH), welche Kriterien entscheidend sind.
Ein geldwerter Vorteil liegt immer dann vor, wenn ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber einen wirtschaftlichen Vorteil erhält, der nicht in Geld ausgezahlt, aber dennoch einen messbaren Wert hat.
Solche Vorteile können viele Formen annehmen: Sowohl materielle Vorteile wie Dienstwagen zur privaten Nutzung oder kostenlose Mahlzeiten als auch immaterielle Vorteile wie vergünstigte Aktien – oder eben auch echte Anteile am Unternehmen – können geldwerte Vorteile darstellen. Sobald diese Vorteile durch das Arbeitsverhältnis veranlasst sind – also eine Gegenleistung für Arbeit darstellen –, gelten sie als Arbeitslohn und sind damit grundsätzlich steuerpflichtig.
Besteuert wird der geldwerte Vorteil in der Regel zum Zeitpunkt des Zuflusses, also dann, wenn der Arbeitnehmer den Vorteil wirtschaftlich nutzen kann. Bei Mitarbeiterbeteiligungen bedeutet das meist: Besteuerung bei Zuteilung der Anteile oder beim Exit, je nach Ausgestaltung.
Wenn Mitarbeitende Anteile am Unternehmen erhalten, stellt sich die Frage: Erfolgt dies als Belohnung für geleistete Arbeit oder zur Sicherung der Unternehmensstruktur?
Liegt ein Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis vor, wird die Übertragung als geldwerter Vorteil gewertet – und ist damit steuerpflichtiger Arbeitslohn.
Beispiel: Ein Start-up gewährt einem Senior Developer 1 % der GmbH-Anteile, weil dieser in den letzten Jahren besonders erfolgreich war und das Produkt maßgeblich vorangebracht hat. Die Übertragung ist im Arbeitsvertrag geregelt und Teil eines Bonussystems.
➡ In diesem Fall liegt ein geldwerter Vorteil vor, da die Anteile als Gegenleistung für die Arbeitsleistung gewährt wurden. Das Finanzamt wird diesen Vorteil als steuerpflichtigen Arbeitslohn bewerten. Wenn wir über ESOP-Programme sprechen, geht es um eine Übertragung, die eine Vergütung für die Arbeitsleistung des Mitarbeitenden darstellt – mit dem Ziel, ihn zu motivieren und langfristig an das Unternehmen zu binden. Da es sich hierbei um eine unmittelbare Gegenleistung für die geleistete Arbeit handelt, liegt ein geldwerter Vorteil vor.
In bestimmten Fällen kann die Übertragung von Anteilen steuerfrei erfolgen – nämlich dann, wenn sie nicht durch das Arbeitsverhältnis veranlasst ist. Ein aktuelles Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH, Urteil vom 20.11.2024 – VI R 21/22) zeigt, unter welchen Umständen das zutrifft.
Sachverhalt des Urteils:
Ein Unternehmer wollte seine Nachfolge regeln und übertrug deshalb Anteile seiner GmbH an seinen Sohn und an fünf langjährige Führungskräfte. Diese Mitarbeitenden hatten zwar Leitungsfunktionen, erhielten die Anteile aber nicht als Anerkennung für ihre Arbeit, sondern um das Unternehmen langfristig abzusichern. Der Sohn konnte das Unternehmen allein nicht weiterführen – daher sollten Führungskräfte ebenfalls Anteile halten.
Die Übertragung war nicht an Bedingungen geknüpft, z. B. eine weitere Mitarbeit über mehrere Jahre. Es gab auch keine arbeitsvertragliche Regelung dazu. Das ist entscheidend – denn damit ein geldwerter Vorteil vorliegt, muss ein Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Mitarbeitendem bestehen.
Zwar besteht ein Arbeitsverhältnis – doch das allein führt noch nicht automatisch zu einem steuerpflichtigen geldwerten Vorteil. Entscheidend ist, ob die Übertragung wirklich im Rahmen einer Unternehmensnachfolge erfolgt und ob sie – wie im besagten Fall – ohne Bedingungen wie Vesting- oder Leaver-Klauseln stattfindet. Nur dann kann sie steuerfrei bleiben.
Entscheidung des BFH: Der Bundesfinanzhof urteilte, dass in diesem Fall kein geldwerter Vorteil vorliegt, da die Übertragung nicht durch das Arbeitsverhältnis veranlasst war. Vielmehr stand die Sicherung der Unternehmensnachfolge im Vordergrund.
➡ Das bedeutet: Keine Lohnsteuerpflicht für die beteiligten Mitarbeitenden.
Beispiel zur Verdeutlichung: Frau Becker ist seit 15 Jahren kaufmännische Leiterin in einem Familienunternehmen. Der Gründer plant seinen Rückzug und überträgt ihr – ohne vertragliche Gegenleistung – 3 % der Gesellschaftsanteile, um ihre Loyalität und Erfahrung langfristig in der Unternehmensführung zu sichern.
➡ Da keine Gegenleistung gefordert wird und die Motivation rein unternehmensstrategisch ist, liegt kein geldwerter Vorteil vor. Die Übertragung ist nicht steuerpflichtig.
Die Besteuerung von Mitarbeiterbeteiligungen ist komplex – und der Begriff Geldwerter Vorteil spielt dabei eine zentrale Rolle. Grundsätzlich gilt:
Für Unternehmen ist es daher entscheidend, die Motivation und den Kontext der Übertragung sauber zu dokumentieren. Nur so lässt sich im Zweifel gegenüber dem Finanzamt belegen, dass keine steuerpflichtige Vergütung, sondern eine strategische Maßnahme zur Sicherung der Unternehmenszukunft vorliegt.
Gerade in der Praxis von Start-ups, KMU und Familienunternehmen, die Mitarbeitende langfristig binden und einbinden wollen, ist diese Differenzierung essenziell. Wer Beteiligungen strategisch nutzt und steuerlich klug strukturiert, kann Motivation, Verantwortung und Bindung schaffen – ohne unnötige Steuerlasten auszulösen.
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